Die Risiken des Berliner Testaments
Das Berliner Testament, in dem sich die Ehepartner gegenseitig zu Alleinerben einsetzen, ist weit verbreitet. Neben einigen Vorteilen hat das Ehegattentestament aber auch seine Tücken.
Ehepartner bzw. eingetragene Lebensgemeinschaften bevorzugen häufig das Berliner Testament, um Verfügungen über den Nachlass zu treffen. Dabei setzen sie sich gegenseitig als Alleinerben ein, wenn der erste Ehegatte verstirbt. Dritte, oft die Kinder oder Nichten und Neffen, sollen dann das Erbe erhalten, wenn auch der Zweite verstirbt. Der Vorteil dieser Regelung liegt auf der Hand: Die materielle Absicherung des Ehepartners bzw. eingetragene Lebenspartners im Erbfall. Denn nach der gesetzlichen Erbfolge hätten Kinder schon nach dem Tod des ersten Ehepartners bzw. Lebenspartners Anspruch auf ihr Erbteil. Das kann beispielsweise dazu führen, dass das Familienheim verkauft werden muss. Beim Berliner Testament erben Kinder bzw. Dritte erst, wenn auch der zweite Elternteil verstorben ist. Allerdings können die Kinder auch beim Berliner Testament Anspruch auf ihren Pflichtteil geltend machen. Inwieweit dies verhindert werden kann, war bereits mehrfach Gegenstand in anderen Artikeln, auf die verwiesen wird.
Immer wieder unterschätzen Mandanten die hohe Bindungswirkung der gemeinschaftlich getroffenen letztwilligen Verfügung. Hat ein Ehepaar bzw. eingetragene Lebenspartnerschaft ein Berliner Testament erstellt, können sie dies i.d.R. auch nur gemeinsam wieder ändern. Ist also der Erbfall eingetreten und möchte der Überlebende das Testament ändern, geht dies wegen der „quasivertraglichen Wirkung“ des Berliner Testamentes oft nicht. Gute Gründe für einen nachträglichen Änderungswunsch gibt es viele: z.B. kann der Überlebende ein Kind mehr bedenken wollen, weil es sein Pflege übernimmt. Oder es ist zu befürchten, dass das ganze Erbe für das Sozialamt oder den Insolvenzverwalter oder für Drogen verwendet werden muss. Auch der Wunsch, dass auf keinen Fall ein Schwiegerkind in den Genuss des Erbes kommt, kann eine Änderung des ursprünglichen Testamentes rechtfertigen. Doch dies geht in 80 % der Fälle nicht mehr. Denn nach dem Ableben des Ehepartners ist eine Änderung der gemeinschaftlichen Verfügungen nicht mehr möglich; es sei denn, es wurden entsprechende Regelungen in das Testament aufgenommen. Zuvor ist aber zu überlegen, ob eine völlige Freizeichnung des Überlebenden gewollt und sinnvoll ist. Denn in der Regel möchte kein Elternteil, das die Kinder vollkommen leer ausgehen. Somit scheint also ein Mittelweg oft sinnvoll, der individuell von den persönlichen Verhältnissen der jeweiligen Familie abhängt.
Darüber hinaus kann das Berliner Testament – besonders bei größeren Vermögen – auch steuerliche Nachteile mit sich bringen, weil die Freibeträge ggf. nicht voll ausgeschöpft werden. Der Freibetrag liegt bei Ehepartnern bei 500.000 Euro und bei Kindern bei 400.000 Euro. Fällt beispielsweise ein Nachlass im Wert von 900.000 Euro alleine an den überlebenden Ehepartner, kann der Freibetrag für die Kinder nicht ausgeschöpft werden und der Ehepartner muss 400.000 Euro versteuern. Bleibt das Vermögen erhalten und die Kinder werden zu Schlusserben, entstehen erneut steuerliche Nachteile.
Außerdem ist seit 2015 die EU-Erbrechtsverordnung zu beachten. Demnach gilt das Erbrecht des Staates, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Allerdings wird das Berliner Testament nicht in allen Staaten anerkannt, so dass die letztwilligen Verfügungen ggf. nicht wirksam sind. Welche Möglichkeiten potentielle Erblasser mit Auslandsbezug haben, wurde in dem Artikel „Neues zum EU-Erbrecht“ erläutert.

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